Auch die schlausten Maschinen brauchen immer noch den Menschen

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind in aller Munde. Doch wie intelligent sind KI-basierte Systeme wirklich und wo lassen sie sich effizient im Geschäftsalltag einsetzen? Roger Egli, Solution Owner & Teamlead Input Management bei Arcplace, über neuronale Netzwerke, intensive Maschinentrainings und Posteingangssysteme, welche die Befindlichkeit eines Kunden erkennen.

KI und Machine Learning: Buzzwords oder Revolution?

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind Megathemen in der Forschung, aber auch in der Industrie. Durch die markant leistungsfähigere Hardware finden komplexe, rechenintensive KI-Anwendungen immer stärker Eingang in die Geschäftswelt. Eine typische Anwendung sind Schrift- und Bilderkennungssysteme, die sich konstant selber verbessern. Bei Arcplace setzen wir KI-Technologien primär dort ein, wo physische und elektronische Informationen mit hohem Automatisierungsgrad klassifiziert, extrahiert und validiert werden müssen. Zum Beispiel im Rahmen eines digitalen Posteingangs oder bei der Digitalisierung grosser Archivbestände.

 

Machen KI und maschinelles Lernen den Menschen überflüssig?

Nein, und zwar auch in absehbarer Zukunft nicht. Heutige Systeme, die mit KI arbeiten, sind nach wie vor stark auf Trainingsdaten angewiesen. Sie können – im Gegensatz zum menschlichen Gehirn – noch nie zuvor gesehene Informationen nicht selbständig einordnen und verstehen. Aber die Forschung geht natürlich in diese Richtung.

 

Wie trainiert man Maschinen?

Das klassische Verfahren lässt sich gut anhand eines Capturing-Systems zeigen. Dieses wird laufend mit möglichst vielen Beispielformularen und Bildinformationen gefüttert. Wird ein neues Dokument oder Element nicht erkannt, geht es automatisch an einen menschlichen Operator. Dieser klassifiziert die Information manuell und ergänzt diese bei Bedarf. Das System merkt sich diese Inputs und erkennt so mehr und mehr Dokumente selbständig.

 

Das tönt aufwändig …

Das Training von Capturing-Systemen ist in der Tat zeit- und ressourcenintensiv und stellt in vielen Fällen ein Hindernis dar. Bei Arcplace haben wir den immensen Vorteil, dass wir in unserem leistungsfähigen Scan & BPO Center automatisch Trainingsdaten für die Systeme unserer Kunden generieren. Jeder Zweifelsfall wird beim Capturing manuell beurteilt. Das ergibt eine sehr hohe Datenqualität. Diese sorgt in der Rückkopplung dafür, dass immer weniger Zweifelsfälle manuell bearbeitet werden müssen und das Verarbeitungstempo gesteigert werden kann.

 

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Roger Egli, Solution Owner & Teamlead Input Management bei Arcplace

Du hast die Forschung angesprochen. In welche Richtung geht die technische Entwicklung?

Sie geht in Richtung künstliche neuronale Netzwerke, für welche laufend neue Anwendungsbereiche gefunden werden.

 

Was muss man sich unter einem künstlichen neuronalen Netzwerk vorstellen?

Es wird gewissermassen das menschliche Gehirn simuliert. Neuronen, das sind Knotenpunkte, die eine mathematische Funktion ausführen, werden schichtweise angeordnet. Jedes Neuron aus einer Schicht ist mit jedem Neuron aus der dahinterliegenden Schicht verbunden. Jede Schicht erledigt eine Teilaufgabe. Bei der Schrift- oder Bilderkennung analysiert die erste Schicht beispielsweise die Helligkeitswerte von Pixeln, die zweite findet horizontale Kanten, die dritte erkennt Rundungen, die vierte spielt Kombinationen der gefundenen Elemente durch etc. Am Ende des von Schicht zu Schicht komplexer werdenden Prozesses erfolgt ein Output in Form des – hoffentlich – korrekt erkannten Schriftzeichens oder Bildinhaltes.

 

Und wie lernt das System selbständig?

Man zeigt dem neuronalen Netzwerk beispielsweise das Bild eines Hundes. Es spielt nun selbständig mit Hilfe grosser Rechenkapazitäten Millionen von Möglichkeiten durch und versucht herauszufinden, um welche Bildinformation es sich handeln könnte. Ohne vorgängiges Training sind die Resultate zunächst unbefriedigend. Das System sagt Stuhl, Wolke, Tintenfisch… Bei dem Lernprozess werden alle beteiligten Neuronen berücksichtigt. Diese werden so verändert, dass am Ende die Voraussage stimmt. Durch weiteres Training lässt sich die Extrahierungsqualität sukzessive weiter erhöhen. Die Datensätze sollten dabei möglichst ausgewogen und divers sein. Haben wir 1000 Stuhlbilder aber nur 10 ähnliche Bilder von Hunden, funktioniert das Lernen schlecht, denn das System erkennt vor allem Unterschiede. Weil der Hintergrund auf vielen Hundebildern grün ist, würde das System Grün als Hundemerkmal definieren, was natürlich falsch ist. Ziel ist es, dass die KI – analog zu uns Menschen – den Hund anhand von Merkmalen wie Körperform, Ohren, Augen, Fell, etc. erkennt – unabhängig davon, in welchem Umfeld er fotografiert wurde.

 

Mit dieser Technologie sind bereits heute Erkennungsraten von über 99 % bei handschriftlichen Informationen möglich und sie bietet enorme Möglichkeiten bei der Bilderkennung. Aber: auch neuronale Netzwerke benötigen zuerst ein intensives Training.

 

«Beim 'Natural Language Processing', kurz NLP, geht es darum, dass Capturing-Systeme die Befindlichkeit des Absenders herauslesen. Werden solche emotionalen Aspekte im Posteingang erkannt, können Anfragen nach Dringlichkeit sortiert und wichtige Fälle prioritär bearbeitet werden.»

 

Gibt es weitere neue Technologien mit grossem Potenzial?

Eine weitere spannende Entwicklung ist das «Natural Language Processing», kurz NLP. Hier geht es darum, dass Capturing-Systeme die Befindlichkeit des Absenders herauslesen. Macht der Kunde ein Kompliment oder reklamiert er verärgert? Werden solche emotionalen Aspekte im Posteingang erkannt, können Anfragen nach Dringlichkeit sortiert und wichtige Fälle prioritär bearbeitet werden.

 

Setzt Arcplace neuronale Netzwerke und NLP schon in der Praxis ein?

Wir sind bei einem grossen Kunden kurz vor dem Go-Live einer Capturing-Lösung, die auf einem künstlichen neuronalen Netzwerk basiert. Wir erhoffen uns von der neuen Technologie eine nochmals verbesserte Extrahierungsqualität und damit ein noch effizienteres Capturing. In diesem Fall geht es darum, ein Papierarchiv mit Millionen von Dokumenten zu digitalisieren. Bei einem derartigen Volumen zählt jede eingesparte Sekunde.

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Dominic Wullschleger

Dominic Wullschleger

arbeitet seit 2012 bei Arcplace. Erst als Head of Sales & Marketing und seit 2021 als Chief Commercial Officer.

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